Geschichte des Plakats

Plakat

Das Wort Plakat taucht im 16. Jahrhundert in den Niederlanden auf. Während des Befreiungskampfes gegen die spanischen Besatzer hatten die Niederländer Flugblätter mit Klebstoff an Häuserwände und Mauern geplackt. Derartige Papierbögen hiessen plakatten (neu-niederländisch plakkaat). Im Französischen entstanden daraus plaque «Platte, Täfelchen und placard «Anschlag». In Deutschland verwendete 1578 erstmals der Satiriker Johann Fischart das Wort Plakat in der Bedeutung einer öffentlichen Bekanntmachung der Obrigkeit.

Medialer Wandel: Lithografie

Alois Senefelder (1771 bis 1834) ist der Erfinder der Lithografie. Ausserdem war er Theaterschriftsteller, Sänger und Musiker und Komponist.

Alois Senefelder erfindet um ca. 1800 den Steindruck, der in Frankreich unter dem Namen Lithografie bekannt wurde. Die Bezeichnung Steindruck darum, weil der Druck von einem oder bei mehrfarbigen Drucken, von mehreren Steinen abgezogen wird.

Der mediale Vorteil gegenüber der damals gängigen und verbreiteten Drucktechniken Kupfer- Stahlstich lag in der Möglichkeit des «freien» Zeichnens auf dem Stein. Erstmals konnten Bilder und Texte zu einer gestalterischen Einheit verbunden werden. Zudem konnten mit dem Steindruck wesentlich grössere Papierformate bedruckt werden  als mit anderen damals bekannten Druckverfahren

  • Litho-Steine aus Solnhofener Plattenkalk oder auch Solnhofener Kalkstein.
  • Alois Senefelder, 1771 bis 1834

Stichwort Flachdruck

Die Lithografie ist der Vorläufer des modernen Offsetdrucks. Flachdruck bedeutet, dass druckende und nicht druckende Elemente auf einer Ebene liegen. Die Lithografie und der Offsetdruck basieren auf der Tatsache, dass sich Fett und Wasser abstossen. Durch einen chemischen Prozess wird der Druckträger veränderte, sodass er an bestimmten Stellen Feuchtigkeit aufnehmen kann und dort die Druckfarbe abweist, während andere Stellen des Druckträgers Feuchtigkeit abweisen um dort die Druckfarbe aufnehmen zu können.


Entwicklung bis 1918 / Historismus

Jules Chéret 1836 bis 1932

Als ein Pionier der damals aufkommenden Plakatgestaltung gilt der Franzose Jules Chéret, der das Handwerk des Lithografen in London erlernte. Chéret war nicht nur in gestalterischer Hinsicht Wegbereiter der Lithografie sondern auch in technischer. So konnte er die Anzahl der Drucksteine von über 10 auf drei reduzieren ohne dass die gestalterische Qualität darunter gelitten hatte.

Jules Chéret erhielt 1888 das Kreuz der französischen Ehrenlegion. In der Begründung hiess es, er habe mit dem Plakat einen neuen Kunstzweig geschaffen …, indem er die Kunst auf kommerzielle und industrielle Druckerzeugnisse übertrug.

Orpheus in der Unterwelt, 1858

Jardin du Paris, 1897

  • Orpheus in der Unterwelt, 1858
  • Jardin du Paris, 1897

Das Künstlerplakat

Bald entwickelte sich eine Tendenz, die man heute als Künstlerplakat bezeichnet in deren Folge sich namhafte Künstler mit der Plakatgestaltung beschäftigten. Um 1890 entstand ausgehen von Paris eine «Plakatbewegung», die begann Plakate nach künstlerischen Kriterien zu beurteilen. Öffentliche und private Plakatsammlungen entstanden. Kunsthändler spezialisierten sich auf Plakate, Ausstellungen informierten über die neuesten Entwicklungen.

Henri de Toulouse-Lautrec

Maler und Grafiker des Post-Impressionismus.

  • Aristide Bruant, 1892
  • Moulin Rouge, La Goulue, 1891

Eugène Grasset

Bildhauer, Maler und Illustrator der Belle Époque und Wegbereiter des Jugendstils.

  • Plakat für die Ausstellung Eugène Grasset im «Salon des Cent», 1898
  • Theaterplakat für Sarah Bernhardt als Jeanne d’Arc, 1889

Pierre Bonnard

Maler des Post-Impressionismus 

  • France Champagne, 1889
  • La revue blanche, 1894

Alfons Mucha

Tschechischer Plakatkünstler des Jugendstils, Grafiker, Illustrator, Maler, Amateurfotograf und Kunstgewerbler.

  • La Dame aux camélias, 1896
  • Monaco Monte Carlo, 1897

Plakate für den Tourismus

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich in der Schweiz der Tourismus. Es ist die Zeit von grossen Eisenbahnprojekte, der Gründung von Dampfschifffahrtsgesellschaften und des Baus von Luxushotels für eine reiche, anspruchsvolle Kundschaft. Transportunternehmen und Ferienorte konkurrieren gegenseitig, sodass sie ihre jeweiligen Attraktionen speziell bewerben müssen. Das Plakat ist für diesen Zweck der geeignete Werbeträger. Um den internationalen, insbesondere den französischen Tourismus- Destinationen den Rang abzulaufen, werden ab ca. 1880 in der Schweiz Werbeplakate für die Ferienorte anfertigt.

  • Uetliberg-Bahn, unbekannt, 1895
  • Anton Reckziegel, Eisenbahn Langenthal-Huttwil-Wolhusen, 1901
  • Anton Reckziegel, Chemin de fer Viège-Zermatt et Zermatt-Gornergrat, Hôtels Seiler, 1898
  • Emil Cardinaux, Matterhorn, Zermatt, 1908

Arts and Crafts

Herkunft und Ziele: Arts and Crafts wandte sich einerseits gegen den Historismus der viktorianischen Ära und andererseits gegen die als seelenlos empfundenen Produkte der aufkommenden Industrie. Ihr Anliegen bestand in der Wiedervereinigung von Kunst und Kunsthandwerk mit dem Ziel, die schöpferische Vollwertigkeit des Kunsthandwerks wiederherzustellen. Zwischen 1870 und 1920 formierte sich die Bewegung in Grossbritannien und den USA. Zentrale Protagonisten waren der Druckereibesitzer William Morris sowie Charles Rennie Mackintosh.

  • Aubrey Vincent Beardsley, Golfing, ca. 1894
  • William H. Bradley, Springfield Bicycle Club Tournament, 1895
  • William H. Bradley, Victor Bicycles, 1896

Jugendstil

Herkunft und Ziele: Der Begriff Jugendstil bezog sich ursprünglich auf die 1896 gegründete Münchner illustrierte Kulturzeitschrift «Jugend» (1896 bis 1914). Formal betrachtet ist der Jugendstil keineswegs eine geschlossene Bewegung. Es handelt sich um eine Reihe von teilweise divergierenden Strömungen in Europa, die sich allenfalls in der Abkehr vom Historismus wirklich einig waren. Die Jugendstilbewegung war zwischen 1890 und 1914 in ganz Europa verbreitet und übte nachhaltigen Einfluss auf die nachfolgenden Epochen aus. Auch: Art Nouveau» in Frankreich; «Modern Style» im englischen Sprachraum; «Stile Liberty» in Italien; «Modernismo» in Spanien; «Sezessionsstil» in Österreich. Diese unterschiedlichen Bezeichnungen veranschaulichen die oben beschrieben Unterschiedlichkeit der verschiedenen Jugendstil-Strömungen in Europa.

  • Gustav Klimt, Kunstausstellung Secession Wien, um 1901
  • Peter Behrens, «Ein Dokument Deutscher Kunst: Die Ausstellung der Deutschen Künstlerkolonie», 1901,
  • Peter Behrens, AEG Metallfadenlampe, 1907
  • Henry Van de Velde, Plakat für die Eiweissnahrung Tropon, 1899

Deutscher Werkbund

Herkunft und Ziele: Der Deutsche Werkbund, gegründet 1907, zielte auf eine «Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk, durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen». Zentrales Anliegen war die Suche nach einer neuen durch «Zweck», «Material» und «Konstruktion» bedingten Formgebung (auch als «Form follows function» bekannt), die man auch als «Sachlichkeit» bezeichnete.

  • Fritz Helmuth Ehmcke, Deutscher Werkbund Ausstellung Crefeld, 1911
  • Fritz Helmuth Ehmcke, Werkbund-Ausstellung Köln, 1914
  • Peter Behrens, Werkbund-Ausstellung Köln, 1914

Informative Sachlichkeit

Ab ca. 1910

Herkunft und Ziele: Seit der Jahrhundertwende beherrscht eine neue, betont sachliche Gebrauchsgestaltung zunehmend die Anzeigenteile der Zeitungen sowie das öffentliche Bild an den Plakat-Litfasssäulen der Grossstädte. Die kleinteilige und realistische Darstellung wird abgelösst durch eine reduzierte und signethafte Präsentationsform. Wortmarken und Schriftzüge werden nun gleichberechtigt zur Abbildung gestellt. Erste Werbeagenturen werden gegründet, 1920 wird zum Beispiel aus der Werbeabteilung von Lever die Lintas (Lever International Advertising Service) und erste Marken- und Marketingstrategien werden entwickelt und eingesetzt.

  • Lucian Bernhard, Priester-Streichhölzer, 1905
  • Lucian Bernhard Plakat für Bosch-Licht, 1913/1920
  • Lucian Bernhard, Stiller Schuhe, 1913
  • Ludwig Hohlwein, Scherrer Sportbekleidung, 1908

Informative Sachlichkeit in der Schweiz

  • Otto Baumberger, PKZ, 1923
  • Niklaus Stöcklin, Eisenwerk Clus, 1925
  • Niklaus Stöcklin, GABA, 1927
  • Niklaus Stöcklin, PKZ, 1934

Futurismus

Etwa 1910 bis 1925

Herkunft und Ziele: Von lat.: futurum = Zukunft. Der Futurismus war eine aus Italien und Russland stammende avantgardistische Kunstbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts. Einige wichtige Impulse für eine neue Formensprache gingen vom italienischen Futurismus aus.

Für die Ära einer rauschhaften Mobilität hatte der Futurist Marinetti 1909 ein Manifest verfasst, in dem die «Schönheit der Geschwindigkeit» verehrt wird. Berühmt wurde vor allem dieser Satz: «Ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.» Das Manifest forderte die totale Erneuerung von Kunst und Kultur. Weitere Ziele: Abbildung von Dynamik, Bewegung und Simultanität (Gleichzeitigkeit); Veraltete Traditionen brechen; Alte Begriffe von Schönheit, Harmonie, Grösse und Dauer sollen abgelöst werden Kunst schaffen, die den Anforderungen eines modernen Lebens gerecht wird

  • Fortunato Depero, Campari Werbung «Squisito al selz», 1926
  • Fortunato Depero, Bitter Campari, ca. 1928
  • Fortunato Depero, «Distrattamente mise il bitter Campari in testa», Campari 1931

Expressionsmus

Etwa 1910 bis 1925

Herkunft und Ziele: Der Begriff Expressionismus (lat.: expressio = Ausdruck, ausdrucksstark) taucht zuerst in der Malerei um 1900 auf. Diese europäische Bewegung trat zum Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Der Expressionismus ging von der Künstlergemeinschaft «Die Brücke» aus, die unter anderem aus den Künstlern Kirchner, Heckel, Schmidt-Rottluff und Bleyl bestand und 1905 gegründet wurde. 1911 gründete der Maler Wassily Kandinsky mit Franz Marc die Künstlergemeinschaft «Der blaue Reiter», der August Macke, Jawlensky, Gabriele Münter, Paul Klee und andere Künstler angehörten. Anfangs des 20. Jahrhunderts versuchten die Vertreter dieser Kunstrichtung durch individuellen Ausdruck und expressiver Gestik, ohne Rücksicht auf Handwerk oder herrschende Stile, das Wesentliche der natürlichen Erscheinungen darzustellen. Gleichzeitig sollte damit ein bildhafter Protest gegen die zunehmende Gleichförmigkeit und Anpassung, ausgelöst durch Industrialisierung und Politik, zum Ausdruck gebracht werden.

  • Oskar Kokoschka, Kunstschau, 1908
  • Ernst Ludwig Kirchner, Ausstellung «die Brücke», 1910
  • Egon Schiele, Ausstellungsplakat, 1918
  • Käthe Kollwitz, Nie wieder Krieg! 1924

Dadaismus

Etwa 1915 bis 1925

Dadaismus verweist auf eine kulturkritische Kunstrichtung, die 1916 im Zürcher «Cabaret Voltaire» ihren Anfang nahm. Angeblich leitet sich der Name «Dada» von der französischen Kindersprache für «Steckenpferd» ab, den Hugo Ball zufälligen beim Blättern in einem Wörterbuch gefunden haben soll. Der Begriff Dada steht im Sinne der Künstler für totalen Zweifel an allem, absoluten Individualismus und die Zerstörung von gefestigten Idealen und Normen. Man ersetzte die durch Disziplin und die gesellschaftliche Moral bestimmten künstlerischen Verfahren durch einfache, willkürliche, meist zufallsgesteuerte Aktionen in Bild und Wort. Die Dadaisten beharrten darauf, dass Dada nicht definierbar sei.


  • Plakat «DADA siegt!» Köln, unbekannt, 1920
  • Kurt Schwitters, Plakat für eine kleine Dadasoirée, 1922
  • El Lissitzky, Plakat für ein von Kurt Schwitters organisiertes Merz-Treffen, um 1920

De Stijl

Etwa 1917 bis 1931

Herkunft und Ziele: 1917 bildet sich in Leiden, Holland, eine Gruppe von Künstlern, die sich «De Stijl» (holländisch für «der Stil») nennt. Die Gruppe bekannte sich zu einer geometrisch-abstrakten, «asketischen» Darstellungsform in Kunst und Architektur und einem auf Funktionalität beschränkten Purismus, der ähnlich wie das deutsche Bauhaus, Grundsätze für eine auf alle Gestaltungsbereiche anwendbare Ästhetik aufstellte. Ihre Vorstellungen standen unter dem Einfluss des Kubismus und der kunsttheoretischen Publikationen Wassily Kandinskys. Ihre Begründer sind der Maler und Kunsttheoretiker Theo van Doesburg und Piet Mondrian. Van Doesburg publiziert mit «De Stijl» eine Kunstzeitschrift unter dem gleichen Namen. Diese Zeitschrift verhilft der Gruppe und den einzelnen Künstlern zur Bekanntheit. Bis 1928 erscheint regelmässig pro Monat ein Heft.

  • Piet Zwart, «Sein via Scheveningen Radio», ca. 1924
  • Piet Zwart, «Sein via Scheveningen Radio», ca. 1924
  • Piet Zwart, Internationale Tentoonstelling, Den Haag, 1928
  • Piet Zwart, «Geef uw telegrammen telefonisch op», 1932

Konstruktivismus

Um 1920

Herkunft und Ziele: Von lat.: construere = zusammensetzen. Der Konstruktivismus ist eine russische Kunstströmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, welche die Entwicklung der modernen Kunst prägte. Er wurde von den russischen Künstlern und Architekten Wladimir Tatlin, El Lissitzky und Aleksander Rodtschenko gegründet und baut auf dem Suprematismus des ukrainischen Malers Kasimir Malewitsch auf. Die reduzierte Formensprache beschränkte sich weitgehend auf die Verwendung geometrischer Formen. Der russische Konstruktivismus wurde nach der Revolution von 1917 für Propaganda benutzt, jedoch bald darauf von Sowjet-Führung unter Lenin als zu elitär und unverständlich angesehen und vom sozialistischen Realismus verdrängt (L. Trotzki: Kunst und Revolution, 1938).


  • El Lissitzky, Propagandaplakat, «Schlagt die Weissen mit dem roten Keil», 1919
  • El Lissitzky, UdSSR Ausstellung im Kunstgewerbemuseum, Zürich, 1929
  • Gustav Klucis, Entwicklung der Eisenbahn – 5-Jahres-Plan, 1929
  • Gustav Klucis, Propaganda für die sowjetische Jungend, 1931

Bauhaus

1919 bis 1933

Herkunft und Ziele: Das Staatliche Bauhaus wurde 1919 von Walter Gropius in Weimar als Kunstschule gegründet und war damals etwas völlig Neues. Das Bauhaus gilt als Heimstätte der Avantgarde der Klassischen Moderne auf allen Gebieten der freien und angewandten Kunst, deren Auswirkung bis heute ganze Generationen von Gestaltern prägen und beeinflussen. Die ursprünglichen Intentionen von H. van de Velde und W. Gropius waren, die Kunst von der Industrialisierung zu emanzipieren und das Kunsthandwerk wieder zu beleben. Für die neuen industriellen Herstellungsprozesse sollte, auf der Basis der handwerklichen Erfahrung, eine neue Formensprache entwickelt werden, die dem industriellen Herstellungsprozess gerecht werden sollte.

  • Joost Schmitt, Plakat für die Bauhausausstellung in Weimar, 1923
  • László Moholy-Nagy, Pneumatik, 1926
  • Herbert Bayer, Europäisches Kunstgewerbeausstellung, 1927
  • Herbert Bayer, Plakat für die Ausstellung des Deutschen Werkbundes 1930 in Paris, bei der Bayer auch Teile der Installation und die Begleitbroschüre gestaltete hat.

Art Deco

Um 1925

(frz., Abkürzung von arts décoratifs, etwa: «verzierende Künste») ist eine Bewegung in der Designgeschichte von etwa 1920 bis 1940, welche die Formgebung von Gegenständen in allen Lebensbereichen umfasste. Einer der Ursprünge des Art déco findet sich in der Gründung der Wiener Werkstätte im Jahre 1903. Das Zentrum des Art déco war jedoch ohne Frage die Metropole Paris. Im Jahre 1925 wurde eine Ausstellung in Paris unter dem Namen Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes durchgeführt, kurz «Art déco». Dem Art déco fehlt ein eindeutiges, zugrundeliegendes Stilmerkmal oder eine stilbildende Anschauung. Vielmehr handelt es sich, inmitten des generellen Aufbruchs der klassischen Moderne, um eine gestalterische Verbindung von Eleganz der Form, Kostbarkeit der Materialien, Stärke der Farben und Sinnlichkeit der Thematik. Vieles davon war schon im Jugendstil angelegt – vor allem im französischen, wo man im Überflüssigen das Not- wendigste sah: «le superflu, chose la plus nécessaire». Der Zweite Weltkrieg setzte dem Art Deco in Europa ein jähes Ende; die Stimmung der unmittelbaren Nachkriegszeit entsprach nicht mehr einem solchen Luxus, einzig in den USA überdauerte der Stil bis Anfang der 50er Jahre.

  • M. Cassandre, Dubo – Dubon – Dubonnet, 1932, ( Adolphe Jean-Marie Mouron)
  • M. Cassandre, Nord Express, 1927
  • M. Cassandre, Normandie; 1935

Elementare Typografie

Um 1925

Herkunft, Ziele und Merkmale: Das Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 ermutigt progressive Kräfte, neue Wege zu gehen. Dies zeigt sich in revolutionären sozialen Bewegungen ebenso wie in radikalen kulturellen Erneuerungsbestrebungen. Solche Versuche traten in vielen europäischen Ländern gleichzeitig auf und brachten variantenreiche theoretische und praktische Ergebnisse hervor. Neben dem Expressionismus, der individuelle Emotion und Gestik in den Mittelpunkt seines Schaffens stellte, entwickelte sich aus der klaren, reduzierten Formensprache des Konstruktivismus im Laufe der zwanziger Jahre die elementare Typografie, die für eine zweckgebundene, informierende Form der visuellen Kommunikation des ganzen Jahrhunderts die Grundlage bilden sollte.

  • Jan Tschichold, Napoleon, Phoebus-Palast (Kino), 1927
  • Jan Tschichold, Orient-Express, Phoebus-Palast (Kino), 1927

Internationaler (typografischer) Stil

Herkunft und Ziele: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand auch eine Veränderung der damals geltenden Typografie an. Gleichzeitig in der Schweiz und den USA wurde in den vierziger Jahren ein typografischer Stil entwickelt, der für die aufstrebende Wirtschaft und die neuen Bedürfnisse der Werbung und Kommunikation ein Höhepunkt war. Der neue typografische Stil, auch «Amerikanischer-Schweizerischer Stil» bezeichnet, war stark von der Formensprache der zwanziger Jahre geprägt. Die Gestalter griffen die geometrisch-klaren Formen der Konstruktivisten und die elementare Typografie des Bauhauses auf. Es wurde ein Stil mit grenzüberschreitender Qualität geschaffen. Die elementare Typografie, die abstrakte Gestaltung, die Fotografie und das konzeptionelle Denken machten den «Internationalen typografischen Stil» zu einer wichtigen Bewegung nach 1945.

  • Herbert Matter, Schweiz, 1935
  • Herbert Matter, Polio (USA), 1949/50.
  • Max Huber, La Rinascente, 1949/51
  • Paul Rand, «No way out», 1950

Pop Art

Ab etwa 1955

Herkunft und Ziele: Pop Art ist eine Kunstrichtung der Malerei und Skulptur, die Mitte 50er bis in die 60er-Jahre in den USA und Europa Verbreitung findet. Pop Art, abgeleitet vom Begriff populär, thematisierte die Alltagskultur: Konsum, Massenmedien, Werbung usw. Als einer der Protagonisten der Pop Art gilt Andy Warhol, dessen Wurzeln in der Werbegrafik der 50er Jahre zu finden sind. Formal zeichnet sie die Pop Art durch: Starke und vereinfachte Farbigkeit, signetartige Formensprache, Überhöhung der Grösse und die Repetition. Zudem wird Schrift und Schriftgestaltung zu einem wichtigen Gestaltungselement. Die Einflüsse von Pop Art erstreckten sich vor allem in der Werbung bis weit in die 70er-Jahre.

  • Andy Warhol, Fifth New York Film Festival, 1967
  • Milton Glaser, Plakat für Columbia Records, 1967
  • Heinz Edelmann, Filmplakat, 1964
  • Peter Emch, Plakat für Sinalco, 1970

Sachlich-Funktionale Gestaltung

Ab etwa 1960

Herkunft und Ziele: Die sachlich-funktionale Gestaltung entstand durch die Weiterentwicklung der elementaren Typografie und des internationalen typografischen Stils. Die sachlich-funktionale Typografie, auch als Schweizer Typografie bezeichnet, entstand durch die Einflüsse von Typografen aus dem Bauhaus oder dessen Umfeld. So kamen Ansätze des Bauhauses von Jan Tschichold, De Stijl, El Lissitzky und den beiden ehemaligen Bauhaus-Studenten Max Bill und Theo Ballmer in die Schweiz. Diese Tendenz verschaffte der Schweiz in internationalen Designkreisen einen ausgezeichneten Ruf. Schnell breitete sich dieser formal reduzierte Stil in ganz Europa, den USA, aber auch in Japan aus. Sowohl in der Ausbildung als auch in der Industrie wurde diese formale Sachlichkeit bereitwillig akzeptiert. In zahlreichen neuen Lehrbüchern wurde und wird Typografie als klares, nachvollziehbares Regelwerk dargestellt, die der Gestalterin und den Gestaltern als «sichere Heimat» dient. Auch noch heute gibt es Gestalterinnen und Gestalter, die sehr in der Tendenz der sachlich-funktionalen Typografie arbeiten.

  • Jörg Hamburger, Chum mach mit, 1962
  • Armin Hofmann, Theater Basel, Plakat, 1963
  • Max Miedinger, Helvetica, 1957
  • Josef Müller-Brockmann, Viva Musica, 1958
  • Emil Ruder, die gute form, 1958
  • Karl Gerstner, Auch du bist liberal, 1957 (Gerster war einer Mitbegründer der bekannten Schweizer Werbeagentur GGK)
  • Richard Paul Lohse, «Allianz» Ausstellung Helmhaus Zürich, 1954
  • Siegfried Odermatt, Meister der Plakatkunst, 1959

Psychedelia/Psychedelic

Ab etwa 1965

Herkunft und Ziele: Psychedelia, auch Neojugendstil genannt, ist eine alternative Designrichtung, die sich während der sozialen Unruhen der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts entwickelte. Von der Westküste Amerikas breitete sich Psychedelia bis nach Europa aus und ist stark mit der Rock- und Popmusik der damaligen Zeit und den Hippies und ihrem Flower-Power-Lebensstil verbunden. Die stärkste Strömung der psychedelischen Kunst ging Mitte der 1960er von San Francisco aus – aber auch Los Angeles, New York, Chicago und London waren die Hauptschauplätze dieser Bewegung. Die Hippie-Kultur war eine weitgehend unpolitische Protestbewegung, die sich mit freizügigem, unkonventionellem Lebensstil gegen die verstaubten bürgerlichen Moralvorstellungen richtete.

  • Wes Wilson, Jefferson Airplane, The Yay Walkers at Fillmore Auditorium, 1966
  • Lee Conklin, Canned Heat, 1968
  • Victor Moscoso, Avalon Ballroom, 1966
  • Martin Sharp, Mister Tambourin Man, 1967

Punk-Design

Um 1975

Herkunft und Ziele: Punk ist eine Jugendkultur, die Mitte der 1970er Jahre in New York und London entstand. Charakteristisch für den Punk sind provozierendes Aussehen, eine rebellische Haltung und nonkonformistisches Verhalten. Das englische Wort Punk bezeichnet faulendes Holz, etwas Wertloses, was allenfalls als Zunder taugt. Der Gitarrist der Patti Smith Group, Lenny Kaye, verwendet den Begriff Punk Rock 1972 erstmals in einer Anthologie über den US-amerikanischen Garagenrock der 1960er Jahre. Im Umfeld der Punkt-Kultur entwickelt sich eine Ästhetik, die sich jeglicher Konformität und Anpassung widersetzt. Gesuch wird eine unmittelbare und befreite Ausdrucksform, jenseits der gesellschaftlichen Norm. Die visuelle Sprache des Punks sucht die Konfrontation und den Bruch. So sehr sich die Punktbewegung auch der Vereinnahmung durch das Establishment zu entziehen versucht, so schnell werden die Attribute des Punks von der bürgerlichen Gesellschaft und der Modeindustrie vereinnahmt.

  • Punks: LEWD, the furies, the skulls, unbekannt, 1977
  • «Not Patti Smith again!», unbekannt, 1977
  • Jamie Reid/John Varnom, «Never Mind The Bollocks. Here’s The Sex Pistols», unbekannt, 1977
  • The Clash, unbekannt, 1977

Neuer Funktionalismus

Um 1980

Herkunft und Ziele: Nach einer rasanten Zeit der Ismen, der ästhetische wie auch gesellschaftlichen radikalen Brüche (Punk usw.) verbunden mit einer fehlenden Bereitschaft Gestaltung als angewandter Kommunikationsträger zu nutzen, entwickelt sich der Wunsch eine Gestaltungssprache zu finden, die einerseits die ästhetischen Traditionen anerkennt aber auch versucht für die neue Radikalität eine geeignete Sprache zu finden. Es etabliert sich ein «Neuer Funktionalismus», der erkennbar ist durch eine abstrakt-konstruktivistische Formensprache und durch die Absicht visuelle Kommunikation im Sinne einer Dienstleistung zu betreiben.

Werner Jeker, Cinémathèque Suisse, 1984

  • Odermatt und Tissi, Ausstellung «Design aus den Niederlanden» Kunstgewerbemuseum Zürich, 1982
  • Mendell und Oberer, Ausstellung Hans Gugelot, 1984
  • Werner Jeker, Cinémathèque Suisse, 1984

New Wave und Postmoderne

Um 1980

Herkunft und Ziele: Die frühesten Erwähnungen der Bezeichnung New Wave im musik-kulturellen Kontext reichen bis in das Jahr 1976 zurück, zu Malcolm McLaren, dem Manager und Schöpfer der Sex Pistols. Der Begriff wurde von ihm in Anlehnung an die französische Filmepoche «Nouvelle Vague» gewählt, die sich gegen die eingefahrene Bildsprache und den vorhersagbaren Erzählfluss des etablierten kommerziellen Kinos wandte. Amerikanische Design-Studierende besuchten Ende der 70er anfangs der 80er-Jahre die Schule für Gestaltung Basel, wo sie mit der experimentellen Gestaltung von Wolfgang Weingart und den akademischen Designvorstellungen von Armin Hofmann in Berührung kamen. Zurück in Amerika entwickelten diese Gestalterinnen und Gestalter, z.B. April Greimann, zusammen mit Jayme Odgers, den New Wave-Design Stil der Kalifornischen Westküste. Die Intention der New Wave-Gestaltung war der Ausbruch aus der erstarrten funktionalen und programmatischen Gestaltung, hin zu einer befreiten Formensprache, auch begünstigt durch das allmähliche Aufkommen digitaler Entwurfs- und Gestalungsmittel

  • Wolfgang Weingart Kunstkredit, 1977
  • April Greiman, the modern Poster, 1988
  • Terry Jones, ID-Magazin, 1985 (Kein Plakat aber doch ein plakatives Design)
  • April Greiman, Objekts in Space, 1999

Digitales Zeitalter

Ab etwa 1990

Herkunft und Ziele: «Digitales Design ist wie Malerei, nur, dass die Farbe niemals trocknet. Es ist wie eine Tonskulptur, die in immer neue Form gebracht, aber niemals gebrannt wird.» So beschreibt es einer der einflussreichsten Designer dieser Epoche, Neville Brody. Das Primat der unbedingten Wandelbarkeit der gestalteten Form, hervorgerufen durch die durchgängige Verfügbarkeit der digitalen Gestaltungsmittel wird mit dieser Aussage unterstrichen. Die Vorstellung der flüchtigen weil digitalen Form und die vermeintliche Demokratisierung der Gestaltungsmittel lassen den Gedanken aufkommen, eine völlig neue Sprache der Gestaltung finden zu müssen. Jon Wozenkroft, namhafter Autor, Herausgeber und Dozent, schrieb 1995: «Design, wie wir es kennen, ist tot. Es gibt eine Aufsplittung zwischen etablierten Ateliers und den mutigen Innovationen unabhängiger junger Designer. Die Funktion des Designs, unsichtbare Ideen greifbar zu machen, ist von der Tendenz des Computers, alle greifbaren Formen in Flüchtiges zu verwandeln, unterlaufen worden. Aber der neue Status des Designs als quasi gestaltloses Medium eröffnet auch Möglichkeiten, neue Kommunikationswege zu suchen und zu entwickeln». Mit der Entwicklung des responsiven Designs, einer Vorstellung des Designs, für alle digitalen Endgeräte eine angepasste Form bereitzustellen, ist das Ziel des gestaltlosen Mediums beinahe schon erreicht.

  • Neville Brody, Poster for Graphic Arts Message, Tokyo 1992
  • Why Not Associates, Plakat für die Ausstellung «Sensation», 1997
  • Tomato, «Holding the Moth.», 2010
  • Marina Willer / Ian Osborne, FIT, 2012