Die Erfindung der Nation – ein CI/CD-Problem

  • Willhelm Tell, Ferdinand Hodler, 1897
  • Augustfeuer
  • Winkelried schlägt die Gasse, Schlacht bei Sempach, 1386
  • Rütli

Corporate Identity beschreibt die übergeordnete Identität einer Organisation oder eine Unternehmens. Die Visionen und Vorstellungen werden darin in einer Art Firmenphilosophie dargestellt. Wir sprechen dann vom Unternehmensleitbild. Warum so kompliziert? Weil der Mensch danach strebt Sinn in seiner Welt zu finden. Und wenn der Kunde, der Mitarbeiter und der Vorstand den Sinn eines Unternehmens erkennen, sind sie bereit positive Gefühle zu entwickeln. Sie sind motiviert das Produkt oder die Dienstleistung zu kaufen. Sie sind bereit länger, mehr und effizienter zu arbeiten. Sie entscheiden zu Gunsten des Unternehmens. Kurz: alle Akteure identifizieren sich mit dem Unternehmen oder der Organisation.

1848, als die Schweiz erfunden wurde, so wie wir sie heute kennen wurden diese Mechanismen eingesetzt. Und zwar nicht nur in der Schweiz sondern in ganz Europa. Man konstruierte ein Leitbild für das Land. Es musste so anschaulich und belebt sein, dass auch der Bauer in der hintersten Talschaft begreifen konnte was gemein war und sich auch darin wiederfand. Denn nur eine Identifikation mit der im Leitbild vorgestellten Philosophie führt zum Erfolg.

Produktion von Mythen:

National Mythen eigen sich besonders gut und anschaulich das nationale Leitbild zu kommunizieren:

Tell, Moorgarten, Winkelried …

Abb oben: Sempach: Konrad Grob (1828–1904)

Alles Figuren und Ereignisse, welche die Schweiz und die besonderen Charakterzüge hervorragend transportierten.

Doch dieser Mythos muss zelebriert werden.

Man erfindet den 1. August und tanzt um ein Feuer und feiert das Land. Und erfindet den passenden Ort dazu, das Rütli. Oder man kreiert einen Event in Form einer Landesausstellung und stellt dort das Land aus.

Was folgt sind: Landi 39, Expo 64, Expo 02

Wandel des Erscheinungsbildes

Wenn wir genauer hinschauen, stellen wir einen Wandel der Corporate Identity fest, der durch die äusseren Umstände verursacht wurde. Die äusseren Umstände meinen in diesem Fall die politischen Umstände.

1939 war Europa geprägt vom Erstarken der Nationalsozialisten in Deutschland. Die Schweiz suchte ihren Halt im Inneren und in der eigenen Geschichte und Herkunft. Es war aber auch ein glücklicher Umstand. Denn: äusserer Druck führt zur inneren Solidarität. Er gemeinsame Nenner, der Fixpunkt ergab sich fast von selber. Eine «Landi» in Frage zu stellen war schon fast Landesverrat.

  • 1939 Bedrohung an der CH Grenze.
  • Der Weg der Gemenden
  • Ausstellung der Technik
  • Die Wehrhaftigkeit.

1964 ist immer noch im Schwung des wirtschaftlichen Nachkriegswunders. Die Zukunft schien rosig. Der hoffungsvolle Glaube an die Technik trieb alle an: Autobahnen wurden eröffnet, ein U-Boot tauchte im Genfer See, der Komponist Max Liebermann komponiert ein Konzert für Schreibmaschinen. Das Leitbild des Unternehmens Schweiz hiess: Ein positiver Blick in die Zukunft.

  • Gebäude der Verteidigung – der Igel.
  • Max Liebermann: Komposition für Büromaschinen.
  • Jean Tingely
  • Monorail-Schwebebahn
  • Autobahn, die neue Zukunft.
  • Uboot von Auguste Piccard, 1964

2002 steht ein Perspektivenwechsel bevor. Eigentlich hätte die Expo schon ein Jahr früher stattfinden sollen, doch das Leitbild der Schweiz war noch nicht bereit. Uferlose Gespräche auf allen Ebene: Politik, Kultur, Öffentlichkeit. Im Nachhinein kann festgestellt werden: Die Expo 02 war Ausstellung der Kultur und des Designs der Schweiz. Die Unschärfe und Mehrdeutigkeit dieser Bergriffe erforderte ein vertieftes Nachdenken über Sinn und Zweck des Vorhabens.

  • Die Wolke, Expo 02
  • Le Cube, Jean Nouvelle, Expo 02